PROLOG

Ich liege an einem warmen Sommerabend unter einem Apfelbaum im Gras und beobachte meinen kleinen Sohn Borm dabei, wie er jauchzend über die Wiese tanzt. Ein kleiner Marienkäfer landet auf seiner Handfläche. Fröhlich dreht er sich zu mir um und präsentiert mir stolz das kleine Insekt, welches mit schnellen Schritten über seine Finger trippelt. Doch ich habe nur Augen für sein fröhliches breites Grinsen, das durch die abendlichen Sonnenstrahlen in die Farben des Phönix getaucht wird und es erstrahlen lässt. Ein Moment des Glücks, eine verblassende Erinnerung. Seitdem ich denken kann, haben wir den Phönix gepriesen und er hat uns stets Wärme, Licht und Geborgenheit gespendet. Seit jeher lebten wir in Wohlstand, Frieden und Glück. Doch dies sind alles Erinnerungen aus einer besseren Zeit.
Alles begann damit, dass ein schäbiger Reisender vom Clan der Korallen in unser Dorf kam und von einer gigantischen Wassermasse berichtete, welche sein gesamtes Dorf verschluckte und alles zerstörte. Doch der Phönix brannte hell am Himmel an jenem Tag und keiner von uns schenkte den düsteren Hirngespinsten dieses Verrückten Beachtung. Wenige Wochen später erreichten uns Gerüchte über eine große Hitzewelle, welche weit im Süden das Korn auf den Feldern vertrocknen ließ. Doch keine Geschichte der Alten erwähnte, dass das Korn auf den Feldern jemals vertrocknet war und so verlor ich auch dieses Mal keinen dunklen Gedanken. Erst an jenem Tag …

GROSSMÜTTERCHEN ERILDAS GESCHICHTE

Also meine Kleinen, hört gut zu, was Großmütterchen Erilda euch zu erzählen hat. Ich zähle ja schon 63 Aschetage, habe schon viele Dinge gesehen und spannende Geschichten gesammelt.
Wie der Phoenix alles schuf und wie er die Gesamtheit der Welt unter den Tieren und Menschen verteilte, habe ich euch ja bereits berichtet. Darum erfahrt ihr euch heute ein bisschen was von unserer Welt Avis und von der Geschichte unseres kleinen Dorfes, das unter dem Schutz des Ebers steht.

Doch zuerst müsst ihr etwas Wichtiges begreifen.
Am Tag bringt uns der Phoenix Licht und Wärme, in der Nacht hängt sein großes weißes Auge am Himmel und wacht über uns. Doch auch der Phoenix muss ab und zu blinzeln. Darum schließt sich sein Auge manchmal und ist dann am Himmel gar nicht mehr zu sehen. Für den Phoenix vergeht die Zeit viel langsamer als für uns. Ein Monat ist nur ein Wimpernschlag für ihn, doch dieser Wimpernschlag ist für uns besonders wichtig. Denn in der Nacht, in der der Phoenix sein Auge geschlossen hat, müsst ihr ganz besonders aufpassen. Es können hier schlimme Unglücke geschehen und Scharlatane treiben ihr Unwesen, in der Hoffnung, dass der Phoenix sie nicht sehen kann.

Am Aschetag ist es den ganzen Tag dunkel, das habt ihr ja schon gesehen. Wir verlassen das Haus nur im größten Notfall, da uns der Phoenix hier wie auch in der Blinzelnacht nicht sehen kann. Zumindest kann uns der Phoenix nicht bestrafen, falls etwas Ungutes getan werden muss. Achtet deswegen genau darauf, wann ihr welche Taten vollbringen möchtet.

Aber wie dem auch sei. Wisst ihr noch, wie Sprecher Borkenhulm verstarb? Er verschied in einer Blinzelnacht… darum haben wir auch das Brandritual am nächsten Tag mit besonders vielen Beigaben durchgeführt, damit seine Seele auch sicher in die heiligen Hallen des Phoenix finden kann. Dort wird er bestimmt frei von allen Übeln im tanzenden Licht des Phoenix schlemmen und ein Auge auf uns und seinen Sohn Taars haben.

Ihr wollt sicher wissen, wie Borkenhulm zum Sprecher unseres Eberclans wurde. Vor gut 20 Aschetagen begab es sich, dass der vorherige Sprecher vom Weg des Phoenix abkam. Er dachte, er könne mehr Siedlungen befehligen und ließ hierfür heimlich Waffen anfertigen. Kurz darauf griff er mit ein paar Gleichgesinnten einige umliegende Dörfer an. Er beging viele Gräueltaten und tötete dabei sowohl Tiere als auch Menschen. Die Dörfer waren ihm schutzlos ausgeliefert, da niemand eine Waffe besaß. Auch heute besitzt kaum jemand Klingen oder Keulen, da der Phoenix keinerlei Gewalt gutheißt, egal, unter welchen Umständen. Wer Waffen besitzt, ist verleitet, diese auch zu benutzen.
Jener abtrünnige Sprecher kam also aus unserem Dorf und keiner vermochte es, sich ihm zu widersetzen. Doch eines Tages erkannte Borkenhulm den Geist des Phoenix in den Flammen seines heimischen Feuers und ihm wurde klar, dass dieses Übel gestoppt werden musste. Er erkannte zudem die große Gefahr, die von kämpferischen Taten und dem Drang zu jenen ausgehen kann. Darum überredete er den Sprecher, ein großes Leuchtfeuer zu errichten, damit dieser seine neu gewonnene Macht über die gesamte Landschaft strahlen lassen konnte. Doch insgeheim wollte Borkenhulm mehr vom Phoenix wissen. In dem großen Feuer erhoffte er sich Antworten, die er auch bekam.
Was er darin sah, verriet er keinem, doch Fakt ist, dass er in der nächsten Blinzelnacht mit einigen Freunden die Waffen stahl und diese im Meer versenkte. Sie entführten den Sprecher und stellten ihn vor das Gericht des Phoenix. Was an jenem Tag genau passierte, das weiß niemand. Aber der Phoenix hat wohl die Schande aus der Welt genommen, um wieder Frieden einziehen zu lassen. Wer nicht reinen Herzens ist und Böses tut, kann nicht vor der Güte und Weisheit des Phoenix bestehen. Als Borkenhulm wieder in unser Dorf zurückkehrte, wählten wir ihn zu unserem neuen Sprecher. Angru wurde unser neuer Erleuchteter und beide begannen, die Schäden zu beheben, die durch den vorherigen Sprecher entstanden waren.

Wir alle arbeiten immer noch hart, um uns von den Sünden zu befreien, die damals begangen wurden. Wie ihr wisst, geben wir stets noch Korn und Holz an die betroffenen Dörfer und halten jedes Jahr ein Fest zu Ehren des Phoenix ab.

Ja, nun fragt ihr euch, was geschah, dass Borkenhulm so plötzlich in der Blinzelnacht verstarb…keiner weiß, wie sein Tod zustande kam, doch unsere Kräuterkundige konnte zumindest feststellen, dass das Ende seines Lebens nicht natürlichen Ursprungs war. Auch Angru ist seitdem verschwunden.
Seit einiger Zeit passieren komische Dinge in unserer Welt, drum seid auf der Hut. Ganz besonders den Kindern jenes Unfrieden stiftenden Sprechers ist nicht zu trauen. Sie hecken bestimmt etwas aus.
Die Güte, niemandem das Leben zu nehmen, muss Borkenhulm zum Verhängnis geworden sein. Ich habe in all der Zeit, die ich nun schon auf Avis lebe, vieles gesehen, doch das Zeitalter, das uns nun bevorsteht, wird alles verändern. Der Wandel kommt unaufhaltsam und schneller. Was der Phoenix sich dabei denkt? Ich weiß es nicht, aber in seiner unendlichen Güte und Weisheit wird er uns schützen.

Taars ist kürzlich nach Federfall gereist. Er fühlt sich hier nicht sicher und erhofft sich dort Antworten und Beistand von Seiten des Phoenix. Taars Borkenhulmson. Er ist zwar nicht so ein friedlicher Streiter wie sein Vater, doch in seiner Seele brennt trotzdem die Flamme des Phoenix und er ist bereit, alles zu tun, um Gerechtigkeit und Ordnung in diese Welt zu bringen. Ich habe große Hoffnung in ihn, doch er ist nicht hier und wir müssen in unserem Dorf einen neuen Sprecher wählen. Somit müssen wir einen anderen finden oder einen Boten nach Federfall schicken, um Taars als Sprecher wieder zu uns zurückzuholen.

Doch jetzt es ist schon spät, zu spät, um uns mit solchen Belangen zu beschäftigen. Und jetzt Kinder, ab ins Bett und schlaft recht gut. Möge das Licht des Phönix über euch leuchten und der Dunkelheit den Schrecken nehmen.

WAS BISHER GESCHAH

Ich liege an einem warmen Sommerabend unter einem Apfelbaum im Gras und beobachte meinen kleinen Sohn Borm dabei, wie er jauchzend über die Wiese tanzt. Ein kleiner Marienkäfer landet auf seiner Handfläche. Fröhlich dreht er sich zu mir um und präsentiert mir stolz das kleine Insekt, welches mit schnellen Schritten über seine Finger trippelt. Doch ich habe nur Augen für sein fröhliches breites Grinsen, das durch die abendlichen Sonnenstrahlen in die Farben des Phönix getaucht wird und es erstrahlen lässt. Ein Moment des Glücks, eine verblassende Erinnerung. Seitdem ich denken kann, haben wir den Phönix gepriesen und er hat uns stets Wärme, Licht und Geborgenheit gespendet. Seit jeher lebten wir in Wohlstand, Frieden und Glück. Doch dies sind alles Erinnerungen aus einer besseren Zeit.

Alles begann damit, dass ein schäbiger Reisender vom Clan der Korallen in unser Dorf kam und von einer gigantischen Wassermasse berichtete, welche sein gesamtes Dorf verschluckte und alles zerstörte. Doch der Phönix brannte hell am Himmel an jenem Tag und keiner von uns schenkte den düsteren Hirngespinsten dieses Verrückten Beachtung. Wenige Wochen später erreichten uns Gerüchte über eine große Hitzewelle, welche weit im Süden das Korn auf den Feldern vertrocknen ließ. Doch keine Geschichte der Alten erwähnte, dass das Korn auf den Feldern jemals vertrocknet war und so verlor ich auch dieses Mal keinen dunklen Gedanken. Erst an jenem Tag …

Es war ein wunderschöner Morgen und der Phönix brannte hell am wolkenlosen Himmel. Es war der achte Namenstag meines Sohnes und wir planten, am Abend ein großes Fest zu feiern. Denn schließlich würde mit diesem Tag seine Aschezeit beginnen, jene Zeit, in der ein Kind in die Riten und Gebräuche seines Clans eingeführt wurde und danach als vollwertiges Mitglied des Clans galt. Ich war früh in den Wald gegangen, um frische Steinpilze für das Abendessen zu sammeln, denn ich wusste, dass Borm diese ganz besonders gern aß, und ich wollte ihm eine Freude machen an diesem besonderen Tag. Doch an jenem Tag …

Als erstes sah ich die riesige Rauchsäule, welche aus der Richtung meines Dorfes über den Bäumen in den Himmel stieg. Sie war keineswegs vergleichbar mit den dünnen Rauchwölkchen, welche normalerweise von den kleinen Feuern der Kochstellen und Öfen stammen. Vielmehr war sie mit einer dunklen Bedrohung zu vergleichen, die alles Licht zu verschlucken schien. Meine Augen starrten, von der rauschenden Dunkelheit gefesselt, in den Himmel und ich war unfähig, mich zu bewegen. Es dauerte einen kurzen Augenblick, bis mein Kopf die Bilder verarbeitet hatte, und mir langsam das Ausmaß der Bedrohung bewusst wurde. Eine schaurige Kälte erfasste mich, mein Bauch krampfte sich zusammen und mein Herz begann zu rasen. Endlich hatte ich den ersten Schock überwunden und sprintete los. Je schneller ich mich unserem Dorf nährte, desto beißender wurde auch der Geruch nach Rauch und verbranntem Fichtenholz. Jedoch mischten sich darunter auch neue unbekannte Gerüche und ein komisch süßlicher Gestank lag in der Luft. Dann hörte ich die Schreie …

Ich beerdigte meinen Sohn am nächsten Morgen zusammen mit den anderen Toten. Bis auf die rituellen Totengebete sprach keiner der Überlebenden ein Wort. Eine unheimliche Stille. Jedem Einzelnen stand der Schock über die Zerstörung und die Trauer über den Verlust von Freunden und Familie ins Gesicht geschrieben. Was geschehen war, konnte keiner von uns gänzlich begreifen.

Ich sehe sein Gesicht noch so klar vor mir. Es wird kein Tag vergehen, an dem ich nicht an die kostbare Zeit denken werde, die wir zusammen erlebt haben - hätten erleben können. Auch wenn ich weiß, dass mein Sohn sich nun im Reich des Phönix befindet und dort auf meine Ankunft wartet, so ist der Schmerz in meinem Herzen kaum zu ertragen. Was würde ich nicht alles dafür geben, ihn nur noch ein einziges Mal in meinen Armen zu halten, ihn fest an mich zu drücken und nie mehr loszulassen.

Viele Fragen gehen mir durch den Kopf. Wie konnte der Phönix so etwas Grausames geschehen lassen? Warum lässt er uns allein in einer solch schlimmen Zeit? Doch ich muss nun stark bleiben und dem Phönix vertrauen, so wie wir es all die Jahrhunderte stets gemacht haben. Wir machen uns nun auf den Weg, um die anderen Dörfer unseres Clans zu warnen und ihnen unsere Geschichte zu erzählen. Doch ich bin beunruhigt, denn an diesem Tag ist irgendetwas anders. Die Strahlen des Phönix, welche stets meine innere Flamme entfacht und mich gewärmt haben, fallen heute nur kalt auf meine blasse Haut. Und auch die Sonne brennt heute nicht mehr so hell, wie noch am Tag zuvor. Die Erleuchteten haben uns stets Zuversicht und Mut zugesprochen und uns daran erinnert, der Kraft des Phönix zu vertrauen. Doch wie kann ich in dieser dunklen Zeit mit Zuversicht in die Zukunft blicken, wenn eines offensichtlich ist. Die Flamme des Phönix erlischt.

Ich atmete schwer. Ängstlich sah ich mich um. Ich sah nur dunkle Schwärze. Hatte ich sie abgehängt? Die Monster von der anderen Seite…

Wie jeden Morgen und Abend hatte ich mit meiner Familien den Phönix gepriesen und ihm gedankt für seine Sonnenstrahlen, als aus den Schatten in der Ferne etwas auf uns zu kam. Wir hatten gewartet, wollten sie begrüßen… bis wir sahen was auf uns zu kam. Menschenähnlich, aber mit Köpfen wie Bären und Wölfen und manche hatten Tentakel und andere Schnäbel und Krallen. Wir rannten nach Hause und sahen, dass eine dunkle Wolke auf uns zukam. Im Schatten der Wolke noch mehr dieser Kreaturen. Und dann…

Nun war ich alleine. Verloren in der Nacht. Ich war in das Landesinnere gelaufen, da man sich erzählte, dass dort irgendwo das Herz des Phönix lag. Ein heiliger Platz wo der Phönix selbst ruht, ein Ort der weder dunkel noch kalt wird. Doch offensichtlich hatte ich den Ort noch nicht gefunden. Ein Knurren und Grollen erklang in der Dunkelheit. Wie weit es weg war? Ich lief keuchend weiter und betete: Phönix, Licht und Leben, zeige mir den Weg in der Dunkelheit. Großer Feuervogel ich bitte dich halte deine schützenden Schwingen über mich.” Ich schrie auf. Aus der Dunkelheit war reines Licht geworden und ich war geblendet, stolperte orientierungslos und hielt mir die Hände vor die Augen. “Die treue Flamme in deinem Herzen hat dir geholfen. Sieh mich an.” Langsam senkte ich die Hände und blickte in das Gesicht eines Mannes. Er schien beinahe von sich aus zu leuchten, aber auch um uns herum schien wie aus dem nichts ein Kreis von Kerzen erschienen zu sein. “Du suchst das Herz des Phönix - und du hast es gefunden. Hier bist du sicher.” “Bist du… bist du der Phönixpriester? Der eine Mensch, welcher den Phönix jemals gesehen hat?” “Ich bin nicht mehr als ein Medium. Ich versuche genauso wie ihr den Willen des Phönix zu ergründen.” Ich hörte Zweige knacken und zuckte zusammen. Noch immer erwartete ich jeden Moment eines dieser Monster aus dem Gebüsch springen zu sehen. “Sie sind noch immer da. In den Schatten. Warte hier mit mir bis zum Morgengrauen. Dann kannst du unbehelligt weiterziehen in eine der Städte.” Ich besah mir den Phönixpriester. Er war nicht bewaffnet und hatte kein Gepäck soweit ich es beurteilen konnte. “Was ist mit dir?” “Das Herz des Phönix ist schwach - ich muss bei ihm Wache halten.” “Aber… aber der Phönix ist unsterblich! Wie soll sein Herz schwach werden?” Ein mildes Lächelns breitete sich über das Gesicht des Priesters aus, als er begann Runen in den Boden zu zeichnen. “Das ist die Frage die ich selbst noch ergründen muss.” “Morgen werde ich in die nächste Stadt laufen und die Clans benachrichtigen! Gemeinsam können wir es schaffen, wie auch Fuchs, Adler, Eber und Wal gemeinsam vom Phönix beauftragt wurden die Welt in Ordnung zu halten.” Ein Tatendrang ergriff mich. Ja so würde sich all das Chaos abwenden lassen, dass über uns hereinbrach. Wenn nur alle Clans vereint wären und gemeinsam mit dem Phönixpriester die Ordnung wiederherstellten. “Ja du hast eine wirklich große und treue Flamme in deinem Herzen. Geh morgen früh und schicke mir alle, welche ein Herz wie deines haben!” Mitten in der Rune stoppte der Priester und seufzte. “Ich hoffe wir kommen nicht zu spät.” Er legte sich zur Ruhe und in mir brannten so viele Fragen, die ich loswerden wollte. Doch auch ich spürte die Erschöpfung meiner Flucht. Ich legte mich ebenfalls im Lichtschein der Kerzen nieder. Und ich träumte. Nicht von den Monstern und nicht von Schatten und nicht von unendlicher Kälte. Sondern von warmen Flammenzunge, die mich umarmten und wohlig ummantelten. Ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit.

Ich erwachte von den Sonnenstrahlen in meinem Gesicht und sah mich um. Der Priester war nicht zu entdecken, aber die Kerzen standen noch immer aufgereiht. Und im Tageslicht konnte ich noch etwas erkennen: Dort stand eine Runentafel. Ich konnte sie nicht lesen, aber der Auftrag die Menschen in der nächsten Stadt zu warnen erschien mir damit umso dringlicher. Auch wenn ich nun nicht mehr von Schatten gejagt wurde, rannte ich. Doch diesmal war es keine Mühe. Nein es war als würde ich vom Phönix getragen und war im Nu in der nächsten Stadt. Und dort traf ich all diese Menschen. Und allen erzählte ich was ich gesehen hatte- so wie dir jetzt.

SEIT MENSCHEN GEDENKEN IST DIES DIE ERSTE ABSCHRIFT DES PHÖNIX

Im Anfang war das Chaos. Das Nichts war Dunkelheit und in der Dunkelheit war ein Durcheinander widerstreitender Elemente, jedes darauf bedacht, die anderen zu unterwerfen. Doch allein konnte keines die Oberhand gewinnen. So existierte nur die Unordnung, für ungezählte Äonen, ehe die Zeit begann.
Dann erschien am Horizont ein gleißendes Licht, dass die Dunkelheit vertrieb und das Chaos erhellte. Es war der große Phönix, dessen Ursprung in den Untiefen der Zeit verborgen liegt. Mit seinem Licht und Feuer vertrieb er die ewige Nacht der Urzeit. Er ordnete die Elemente, lehrte sie die Zusammenarbeit und, dass sie nur gemeinsam Großes vollbringen konnten. So wurde die Entstehung aller Dinge und allen Lebens ermöglicht.

Die Erde lehrte der Phönix, Nährboden und Heimat zu sein für alle Wesen, beständig und überdauernd. So entstanden die Welten.
Das Wasser lehrte er, Heilung und Kühlung zu sein und so entstanden Meere, Flüsse und Seen und der große Regen, der alles Leben wachsen lässt.
Dem Wind befahl er, Wandel zu bringen und Fortschritt und Botschaften zu tragen über alle Grenzen von Wasser und Erde.
Dem Feuer gab er die Aufgabe, Licht zu sein und Wärme, ohne die alle Anstrengungen der anderen Elemente in der Dunkelheit versinken würden. So wurde die Sonne geschaffen, der Mond und die Gestirne.

Als nun die Welten geschaffen waren, stieß der Phönix einen lauten Ruf aus, der über alle Welten hallte. Und seinem Ruf folgten aus allen Winkeln, entstehend aus allen Elementen, Lebewesen unterschiedlichster Art. Fische und Vögel, Insekten und Säugetiere, alle folgten sie seinem Ruf. Aus all diesen Wesen wählte der Phönix vier aus, die ihm besonders dienen sollten. Sie waren von ihm gesegnet und sollten seinen Willen und das Gleichgewicht in dieser Welt bewahren.
Unter den Kindern der Erde wählte er den Eber aus und sagte zu ihm: „Du, Eber, bist kraftvoll und standhaft. Durch alle Unbill sei Verlass auf dich, denn du kannst Wildheit erden. Wo du kämpfst, entsteht beständig tragfähiger Boden. Deine geerdete Beständigkeit rufe ich in meinen Dienst.“
Aus den Tiefen des Wassers rief er den Wal zu sich und sprach: „ Für das Wasser des Lebens, großer Leviathan, bist du Wal im Sturm der Gezeiten. Du tauchst in die Tiefen der Welt, wo Quellen der Heilung sprudeln. Deine überfließende Weisheit rufe ich in meinen Dienst.“
Aus der Luft bat er den Adler zu sich, dem er erklärte: „Von allen Wesen, Adler, reicht dein Blick über jeglichen Horizont am weitesten. Mit deinen weiten Schwingen siehst du Dinge, die anderen verborgen bleiben und kannst raten und mahnen. Deine himmlische Weitsicht rufe ich in meinen Dienst.“ Aus der Luft bat er den Adler zu sich, dem er erklärte: „Von allen Wesen, Adler, reicht dein Blick über jeglichen Horizont am weitesten. Mit deinen weiten Schwingen siehst du Dinge, die anderen verborgen bleiben und kannst raten und mahnen. Deine himmlische Weitsicht rufe ich in meinen Dienst.“
Und aus dem Feuer erwählte der Phönix den Fuchs und sprach: „Intelligenz und List zeichnen dich aus unter allen Lebewesen. Flink zu verstehen gebe ich dir als Aufgabe und bis in die kleinsten Schlupfwinkel Verständnis zu verbreiten unter allem, was lebt. Deinen feurigen Scharfsinn rufe ich in meinen Dienst.“
So wurde die Welt geschaffen und bevölkert und eine Ordnung gebracht in das Chaos.

Als letztes aber, geboren aus einer großen Kraftanstrengung aller Elemente, kamen die Menschen. Ihnen allein offenbarte der Phönix sein gesamtes Wesen und bestimmte sie zu Hütern und Beschützern allen Lebens. Ihnen vertraute er das heiligste Relikt an, sein Ei. Denn wie alles Leben muss auch der Feuervogel reifen, erblühen, welken und vergehen, um dann wiedergeboren zu werden. Diesem Kreislauf ist alles unterworfen und auch der große Phönix kann dem nicht entgehen. Als dann die Schöpfung vollendet und die Ordnung geschaffen war, lebte der Phönix am Anfang der Zeit unter den Menschen. Er erleuchtete sie mit seinem Licht und Feuer und lehrte sie seinen Willen. Mit den Jahren jedoch wurde er schwächer, seine Kraft schwand und sein Leuchten wurde dunkler. Eines Tages erlosch das Feuer des großen Phönix und das goldene Zeitalter kam zu einem jähen Ende. Zweifel und Dunkelheit übernahmen die Herrschaft über die Welt und nur die Erinnerung an den Phönix und seine Gebote halten sie in diesen Zeiten zurück. Es ist Aufgabe der Menschen, die Erinnerung wachzuhalten und das Licht zu bewahren, bis eines Tages der Phönix wiedergeboren wird aus der Asche und das Ei in Obhut der Priester endlich neues Leben hervorbringt.
Ich hätte gerne die Zeiten des Phönix erlebt, so es diese denn jemals gab. Alle halten mich für verrückt das alles aufzuschreiben! Dies ist die erste Seite meiner Chronik und ich bin gespannt was die Welt mich noch aufzuschreiben lehrt!

ROTE REVA

REISEN DES BORK LANGARM

293. aschezyklus

mein speer ist gebrochen, der kopf des ebers war zu hart. moege der falke mich schuetzen, in seynen augen loderte der wahnsinn. oh groszer eber, der falke sey mein zeuge, ich hatte keine wahl. ich musste deinen bruder toeten.
ich weisz nicht, wie der eber so hoch ins otokanoko-gebirge kam, wo doch der wald zu seynen fueszen sicherheit und nahrung bietet – was war das fuer ein schauriges geheul…?
ein wesen, halb mensch, halb wolf, ist vor mir in das tal geflohen. zwei seyner artgenossen habe ich erschlagen. sie waren auf der faehrte des ebers. bin zuerst den spuren der jaeger gefolgt, sie fuehrten unweit in eine hoehle…
hoehle verlassen, spuren der jaeger und des ebers starten hier. auch nach laengerer suche kein zeichen, wie sie in die hoehle kamen. was hat das nur zu bedeuten? fand die spuren eines weiteren jaegers, was fuer ein riese hat solch grosze fuesze?!
folge dem entflohenen wolf, nach 3 wegstunden trifft seyne faehrte auf die des riesen. ich bleibe ihnen auf der faehrte, sie fuehrt richtung borstenwald…
oh, welch grauen kam da aus der hoehle? fand ein nachtlager einer karawane, alle 7 menschen sind tot und erschlagen, der phoenix sey ihnen gnaedig. moege der grosze eber mich hoeren, der tod ist auf dem weg in seynen wald!
habe den borstenwald erreicht und den kadaver eines hueneneber gefunden. so einen groszen habe ich noch nie gesehen! auch wenn mir aufgrund des riesen vor mir langsam die furcht in den knochen sitzt, muss ich weiter und zumindest einen der erleuchteten des ebers warnen oder gar die jaeger selbst zu fall bringen.
fand die leiche des kleineren, er wies schwere wunden von hauern auf. der hueneneber muss ihn toedlich verletzt haben.
vor mir fuehrt die faehrte des riesen mit einer anderen zusammen. es sind wohl 3 jaeger vor mir…
schwerter klirren in der ferne, ich muss mich beeilen….
der riesige wolfsmann kaempft vor mir auf einer lichtung gegen den ebermann. um sie herum liegen die leichen der anderen 2 woelfe. ich wage es nicht, in dieses duell einzugreifen. die schiere wildheit und kraft der beiden ist fuerchterlich und angsterregend.
gerade, als ich mich aus meiner starre loesen kann und eingreifen will, stuerzt der wolf toedlich getroffen zu boden! doch auch der ebermann schwankt und faellt. liegend haucht er seinen letzten willen:
"ich habe meinen eid erfuellt … ich wuenschte, ich koennte weiter fuer phoenix und eber kaempfen … wer auch immer du bist … reise nach federfall und … warne die erleuchteten, ich sah die andere seite … noch mehr woelfe werden kommen … sie wollen … nach … federfall … sie kommen … sie …". der ebermann stirbt in meinen armen, ich konnte nichts mehr fuer ihn tun. als seyne augen brechen, schaue ich auf. am rand der lichtung steht ein weiterer hueneneber, ich kann nicht sagen warum, aber so wie er mich anschaut, koennte ich schwoeren, er hoere zu. als der ebermann eindeutig tot zu seyn scheint, dreht sich dieser maechtige hueter des waldes um und verschwindet zwischen den baeumen…
federfall, seiten, maenner im wolfsfell, der ebermann, was hat das zu bedeuten? egal, ich werde dem letzten wunsch nachkommen!
nach dem ich ein steingrab ueber dem ebermann aufgeschichtet habe, mache ich mich auf den weg nach federfall.
in der ferne heult ein wolf, mir fallen die letzten worte des ebermanns ein…

WAS BISHER GESCHAH

293. aschezyklus

mein speer ist gebrochen, der kopf des ebers war zu hart. moege der falke mich schuetzen, in seynen augen loderte der wahnsinn. oh groszer eber, der falke sey mein zeuge, ich hatte keine wahl. ich musste deinen bruder toeten.
ich weisz nicht, wie der eber so hoch ins otokanoko-gebirge kam, wo doch der wald zu seynen fueszen sicherheit und nahrung bietet – was war das fuer ein schauriges geheul…?
ein wesen, halb mensch, halb wolf, ist vor mir in das tal geflohen. zwei seyner artgenossen habe ich erschlagen. sie waren auf der faehrte des ebers. bin zuerst den spuren der jaeger gefolgt, sie fuehrten unweit in eine hoehle…
hoehle verlassen, spuren der jaeger und des ebers starten hier. auch nach laengerer suche kein zeichen, wie sie in die hoehle kamen. was hat das nur zu bedeuten? fand die spuren eines weiteren jaegers, was fuer ein riese hat solch grosze fuesze?!
folge dem entflohenen wolf, nach 3 wegstunden trifft seyne faehrte auf die des riesen. ich bleibe ihnen auf der faehrte, sie fuehrt richtung borstenwald…
oh, welch grauen kam da aus der hoehle? fand ein nachtlager einer karawane, alle 7 menschen sind tot und erschlagen, der phoenix sey ihnen gnaedig. moege der grosze eber mich hoeren, der tod ist auf dem weg in seynen wald!
habe den borstenwald erreicht und den kadaver eines hueneneber gefunden. so einen groszen habe ich noch nie gesehen! auch wenn mir aufgrund des riesen vor mir langsam die furcht in den knochen sitzt, muss ich weiter und zumindest einen der erleuchteten des ebers warnen oder gar die jaeger selbst zu fall bringen.
fand die leiche des kleineren, er wies schwere wunden von hauern auf. der hueneneber muss ihn toedlich verletzt haben.
vor mir fuehrt die faehrte des riesen mit einer anderen zusammen. es sind wohl 3 jaeger vor mir…
schwerter klirren in der ferne, ich muss mich beeilen….
der riesige wolfsmann kaempft vor mir auf einer lichtung gegen den ebermann. um sie herum liegen die leichen der anderen 2 woelfe. ich wage es nicht, in dieses duell einzugreifen. die schiere wildheit und kraft der beiden ist fuerchterlich und angsterregend.
gerade, als ich mich aus meiner starre loesen kann und eingreifen will, stuerzt der wolf toedlich getroffen zu boden! doch auch der ebermann schwankt und faellt. liegend haucht er seinen letzten willen:
"ich habe meinen eid erfuellt … ich wuenschte, ich koennte weiter fuer phoenix und eber kaempfen … wer auch immer du bist … reise nach federfall und … warne die erleuchteten, ich sah die andere seite … noch mehr woelfe werden kommen … sie wollen … nach … federfall … sie kommen … sie …". der ebermann stirbt in meinen armen, ich konnte nichts mehr fuer ihn tun. als seyne augen brechen, schaue ich auf. am rand der lichtung steht ein weiterer hueneneber, ich kann nicht sagen warum, aber so wie er mich anschaut, koennte ich schwoeren, er hoere zu. als der ebermann eindeutig tot zu seyn scheint, dreht sich dieser maechtige hueter des waldes um und verschwindet zwischen den baeumen…
federfall, seiten, maenner im wolfsfell, der ebermann, was hat das zu bedeuten? egal, ich werde dem letzten wunsch nachkommen!
nach dem ich ein steingrab ueber dem ebermann aufgeschichtet habe, mache ich mich auf den weg nach federfall.
in der ferne heult ein wolf, mir fallen die letzten worte des ebermanns ein…

PROLOG: Die Chroniken des Phönix Akt IV - Tage des Zweifels


Reisen des Bork Langarm
294. Aschezyklus
Der Bär kam wie aus dem Nicht. Seinem Biss konnte ich zwar entgehen, doch seine grausamen Krallen trafen mich. Ich war einfach zu unbedachte gewesen, allein seiner Fährte zu folgen. Ein weiterer Prankenhieb, ein Sprung zurück, ein Knacken unter meinen Füßen. Beinahe hätte ich vergessen, dass ich gerade auf einer Klippe in den Flammenden Spitzen bin. Der Bär brüllte erneut auf und richtete sich vor mir auf, um mir des Todes stoß zu versetzen. Jedoch bricht plötzlich die Kante unter unseren Füßen weg und ich und der Bär befinden uns in der Luft.

Der Fall war nicht lang, doch der Aufschlag war übel. In einer Felsen- und Steinlawine ging es zur nächsten Bruchkante und über sie hinweg. Und wieder fiel ich und schlug schließlich auf Wasser auf...


Ich weis nicht wie ich es überlebte, doch das nächste an das ich mich erinnere ist, dass ich die Augen aufschlug und der Himmel war… Leinenfarben braun? Mir ist absolut nicht gut, alles tut weh und obwohl ich schwitze, war mir eiskalt. Kurzgesagt ich habe Fieber. Als ich mich dennoch aufrichten will fällt mir auf, dass meine Handgelenke ans Bettgefesselt sind. Eine Frau tritt in mein Sichtfeld, Ihr Name ist Gudrun Winterpelz und sagt es sei ein Wunder, dass ich wach sei. Denn als sie mich vor 3 Tagen fanden hing ich blutend zwischen den Ästen eines in einen Bachgefallenen Baumes. Doch nun wo ich endlich wach sei können sie werden sie mich erstmal befragen über Avis und wie es hier so sei und noch einiges mehr. Ich solle bis dahin still sein und keinen Ärger machen bis ihr Bruder, Gan Winterpelz, da ist. Dann würde mich auch nichts passieren. Meine Waffen hat sie mir alle abgenommen und wenn ich nicht hören wolle, nun ja dann atme ich schnell durch zwei Münder. Ihre kurze nachfrage, nach der nächsten Siedlung beantworte ich kurz angebunden. Taran, dies war also ihr Reiseziel, viel weiß ich nicht über den Ort. Nur das er nahe einer Geschützen Lage an einem Ausläufer der Flammen Spitzen liegt. Auf meine Rückfrage was sie da wolle antwortet sie nicht und verschwindet wieder. Ich ergebe mich der Dunkelheit der Fieberträume.

Lärm von draußen lässt mich hochschrecken, nach wie vor gefesselt. Der Ruf Händler dringt durch die Leinenwände. Unser Wagen hält an. Ich höre Gemurmel von stimmen und dann schreie. Der Satz „Das ist eine Falle“ schallt über die Schreie von verwundeten Menschen. Ich höre das surren von Bögen und dann auch das klirren von Schwertern und Scheppern von Schilden. Draußen wird gekämpft doch wer kämpft da. Ich verrenke mich soweit wie möglich um an einen meiner Verstecken Messer zu gelangen und tatsächlich. Es ist noch da. Es ist ein sehr kleines, kaum gefährliches Messer. Aber zum zerschneiden der Stricke muss es reichen. Es dauert quälend lange bis der erste Strick reißt. Gerade als ich mich am zweiten zu schaffen mache erklingt von draußen ein lautes Brüllen. Der Kampflärm intensiviert sich noch mehr. Vorsichtig arbeite ich mich zur Rückseite des Wagens, wo es Stiller zu sein scheint. Glücklicher weise liegen hier meine, wohl restlichen, Ausrüstungsteile. „Für den Phönix“ hallt es plötzlich von draußen, worauf ein martialisches Krachen von zwei Schildwällen folgt. Als ich mich hinten aus dem Wagen hieve und seitlich vorbei linse sehe ich wie einige unserer geschätzten Phönixgarde am Rand eines unübersehbaren Getümmel Kämpfen. Ihnen gegenüber stehen ein paar Große Krieger mit Bärenpelzen unter ihnen ein regelrechter Hühne, der mit seinem Schild gerade den Schild eines Gardisten wegdrückt, als wäre dieser ein Kind. Weitere der Garde stürzen sich im Laufschritt in den Kampf, die Garde ist wohl gerade erst hinzugestoßen. Als ich mich gedruckt Richtung Wald aufmache und einen Blick über die Schulter werfe, sehe ich noch Gudrun mit einem Händler kämpfen.

Ich suche mir ein Sicheres versteck in der nähe vom Weg. Fürs erste muss ich mich ausruhen. Meine Wunden ziehen und ein Riss ist aufgebrochen. Von meinem Versteck aus kann ich beobachten wie der Bärenahne einen Phönixgardisten nach den anderen niederstreckt. Seiner rohen Gewalt scheint keiner gewachsen zu sein. Doch auch einige seiner Leute fallen unter den Waffen der Garde. Nach der letzte der Gardisten gefallen ist steht nur noch der Bär, blutüberströmt und selber blutend, doch er steht noch. Trotz der Entfernung kann ich hören wie er Kopfschüttelnd und mit trauer in der Stimme folgende Worte sagt: „Nichts hat sich geändert, überall ist es gleich. Nur die Starken überleben, ich hätte meine Schwester nicht allein vorschicken dürfen.“ Nach diesen Worten dreh er sich um und geht zu den überlebenden seines Clans, auch Gudrun ist unter ihnen.

Doch ich habe lange genug hier verharrt. So leise wie möglich verschwinde ich in den Wäldern, Richtung Taran…

WAS BISHER GESCHAH

Die vielen Umweltkatastrophen und das Auftreten fremdartiger Clans haben viele Bewohner von Avis dazu veranlasst, sich auf den Weg zu machen und der Ursache auf den Grund zu gehen. Unter ihnen befand sich auch Soho vom Clan des Ebers, den seine Reise am Ende sogar bis ins Reich des Phönix geführt hat, in das sonst nur die Toten gelangen können. Dort sprach der Phönix selbst zu ihm und schickte den Gelehrten zurück zu den Lebenden, damit er seine Worte mit ihnen teile. Doch was Soho zu berichten hatte, ließ wenig Gutes erahnen. Er behauptete, dass der Phönix im Sterben liege, seine Flamme sei kurz vorm Erlöschen. Wann genau dies geschehen wird, wie oder ob es überhaupt zu verhindern ist, das weiß niemand zu sagen. Doch noch würde Hoffnung bestehen, solange die Clans in Einigkeit zusammenstünden. Soho erzählte außerdem, dass es neben Avis noch eine zweite Welt gibt: Siva, die Welt des Schattens und der Dunkelheit. Die Schleier, die nun überall auf dem Kontinent auftreten, bilden Übergänge zwischen diesen beiden Welten, durch die die fremden Clans und die Ungeheuer nach Avis gelangen konnten. Welche Absichten die fremden Clans allerdings hier in dieser Welt genau verfolgen, ist ebenfalls nicht bekannt. Es kam allerdings bereits zu (zum Teil auch bewaffneten) Konflikten.

URSPRUNGSGESCHICHTE

Im Anfang war das Chaos. Das Nichts war Dunkelheit und in der Dunkelheit war ein Durcheinander widerstreitender Elemente, jedes darauf bedacht, die anderen zu unterwerfen. Doch allein konnte keines die Oberhand gewinnen. So existierte nur die Unordnung, für ungezählte Äonen, ehe die Zeit begann.
Dann erschien am Horizont ein gleißendes Licht, dass die Dunkelheit vertrieb und das Chaos erhellte. Es war der große Phönix, dessen Ursprung in den Untiefen der Zeit verborgen liegt. Mit seinem Licht und Feuer vertrieb er die ewige Nacht der Urzeit. Er ordnete die Elemente, lehrte sie die Zusammenarbeit und, dass sie nur gemeinsam Großes vollbringen konnten. So wurde die Entstehung aller Dinge und allen Lebens ermöglicht.

Die Erde lehrte der Phönix, Nährboden und Heimat zu sein für alle Wesen, beständig und überdauernd. So entstanden die Welten.
Das Wasser lehrte er, Heilung und Kühlung zu sein und so entstanden Meere, Flüsse und Seen und der große Regen, der alles Leben wachsen lässt.
Dem Wind befahl er, Wandel zu bringen und Fortschritt und Botschaften zu tragen über alle Grenzen von Wasser und Erde.
Dem Feuer gab er die Aufgabe, Licht zu sein und Wärme, ohne die alle Anstrengungen der anderen Elemente in der Dunkelheit versinken würden. So wurde die Sonne geschaffen, der Mond und die Gestirne.

Als nun die Welten geschaffen waren, stieß der Phönix einen lauten Ruf aus, der über alle Welten hallte. Und seinem Ruf folgten aus allen Winkeln, entstehend aus allen Elementen, Lebewesen unterschiedlichster Art. Fische und Vögel, Insekten und Säugetiere, alle folgten sie seinem Ruf. Aus all diesen Wesen wählte der Phönix vier aus, die ihm besonders dienen sollten. Sie waren von ihm gesegnet und sollten seinen Willen und das Gleichgewicht in dieser Welt bewahren.
Unter den Kindern der Erde wählte er den Eber aus und sagte zu ihm: „Du, Eber, bist kraftvoll und standhaft. Durch alle Unbill sei Verlass auf dich, denn du kannst Wildheit erden. Wo du kämpfst, entsteht beständig tragfähiger Boden. Deine geerdete Beständigkeit rufe ich in meinen Dienst.“
Aus den Tiefen des Wassers rief er den Wal zu sich und sprach: „ Für das Wasser des Lebens, großer Leviathan, bist du Wal im Sturm der Gezeiten. Du tauchst in die Tiefen der Welt, wo Quellen der Heilung sprudeln. Deine überfließende Weisheit rufe ich in meinen Dienst.“
Aus der Luft bat er den Adler zu sich, dem er erklärte: „Von allen Wesen, Adler, reicht dein Blick über jeglichen Horizont am weitesten. Mit deinen weiten Schwingen siehst du Dinge, die anderen verborgen bleiben und kannst raten und mahnen. Deine himmlische Weitsicht rufe ich in meinen Dienst.“ Aus der Luft bat er den Adler zu sich, dem er erklärte: „Von allen Wesen, Adler, reicht dein Blick über jeglichen Horizont am weitesten. Mit deinen weiten Schwingen siehst du Dinge, die anderen verborgen bleiben und kannst raten und mahnen. Deine himmlische Weitsicht rufe ich in meinen Dienst.“
Und aus dem Feuer erwählte der Phönix den Fuchs und sprach: „Intelligenz und List zeichnen dich aus unter allen Lebewesen. Flink zu verstehen gebe ich dir als Aufgabe und bis in die kleinsten Schlupfwinkel Verständnis zu verbreiten unter allem, was lebt. Deinen feurigen Scharfsinn rufe ich in meinen Dienst.“
So wurde die Welt geschaffen und bevölkert und eine Ordnung gebracht in das Chaos.

Als letztes aber, geboren aus einer großen Kraftanstrengung aller Elemente, kamen die Menschen. Ihnen allein offenbarte der Phönix sein gesamtes Wesen und bestimmte sie zu Hütern und Beschützern allen Lebens. Ihnen vertraute er das heiligste Relikt an, sein Ei. Denn wie alles Leben muss auch der Feuervogel reifen, erblühen, welken und vergehen, um dann wiedergeboren zu werden. Diesem Kreislauf ist alles unterworfen und auch der große Phönix kann dem nicht entgehen. Als dann die chöpfung vollendet und die Ordnung geschaffen war, lebte der Phönix am Anfang der Zeit unter den Menschen. Er erleuchtete sie mit seinem Licht und Feuer und lehrte sie seinen Willen. Mit den Jahren jedoch wurde er schwächer, seine Kraft schwand und sein Leuchten wurde dunkler. Eines Tages erlosch das Feuer des großen Phönix und das goldene Zeitalter kam zu einem jähen Ende. Zweifel und Dunkelheit übernahmen die Herrschaft über die Welt und nur die Erinnerung an den Phönix und seine Gebote halten sie in diesen Zeiten zurück. Es ist Aufgabe der Menschen, die Erinnerung wachzuhalten und das Licht zu bewahren, bis eines Tages der Phönix wiedergeboren wird aus der Asche und das Ei in Obhut der Priester endlich neues Leben hervorbringt.
Ich hätte gerne die Zeiten des Phönix erlebt, so es diese denn jemals gab. Alle halten mich für verrückt das alles aufzuschreiben! Dies ist die erste Seite meiner Chronik und ich bin gespannt was die Welt mich noch aufzuschreiben lehrt!

ROTE REVA

LAGERFEUERGESCHICHTEN

Also meine Kleinen, hört gut zu, was Großmütterchen Erilda euch zu erzählen hat. Ich zähle ja schon 63 Aschetage, habe schon viele Dinge gesehen und spannende Geschichten gesammelt.
Wie der Phoenix alles schuf und wie er die Gesamtheit der Welt unter den Tieren und Menschen verteilte, habe ich euch ja bereits berichtet. Darum erfahrt ihr euch heute ein bisschen was von unserer Welt Avis und von der Geschichte unseres kleinen Dorfes, das unter dem Schutz des Ebers steht.

Doch zuerst müsst ihr etwas Wichtiges begreifen.
Am Tag bringt uns der Phoenix Licht und Wärme, in der Nacht hängt sein großes weißes Auge am Himmel und wacht über uns. Doch auch der Phoenix muss ab und zu blinzeln. Darum schließt sich sein Auge manchmal und ist dann am Himmel gar nicht mehr zu sehen. Für den Phoenix vergeht die Zeit viel langsamer als für uns. Ein Monat ist nur ein Wimpernschlag für ihn, doch dieser Wimpernschlag ist für uns besonders wichtig. Denn in der Nacht, in der der Phoenix sein Auge geschlossen hat, müsst ihr ganz besonders aufpassen. Es können hier schlimme Unglücke geschehen und Scharlatane treiben ihr Unwesen, in der Hoffnung, dass der Phoenix sie nicht sehen kann.

Am Aschetag ist es den ganzen Tag dunkel, das habt ihr ja schon gesehen. Wir verlassen das Haus nur im größten Notfall, da uns der Phoenix hier wie auch in der Blinzelnacht nicht sehen kann. Zumindest kann uns der Phoenix nicht bestrafen, falls etwas Ungutes getan werden muss. Achtet deswegen genau darauf, wann ihr welche Taten vollbringen möchtet.

Aber wie dem auch sei. Wisst ihr noch, wie Sprecher Borkenhulm verstarb? Er verschied in einer Blinzelnacht… darum haben wir auch das Brandritual am nächsten Tag mit besonders vielen Beigaben durchgeführt, damit seine Seele auch sicher in die heiligen Hallen des Phoenix finden kann. Dort wird er bestimmt frei von allen Übeln im tanzenden Licht des Phoenix schlemmen und ein Auge auf uns und seinen Sohn Taars haben.

Ihr wollt sicher wissen, wie Borkenhulm zum Sprecher unseres Eberclans wurde. Vor gut 20 Aschetagen begab es sich, dass der vorherige Sprecher vom Weg des Phoenix abkam. Er dachte, er könne mehr Siedlungen befehligen und ließ hierfür heimlich Waffen anfertigen. Kurz darauf griff er mit ein paar Gleichgesinnten einige umliegende Dörfer an. Er beging viele Gräueltaten und tötete dabei sowohl Tiere als auch Menschen. Die Dörfer waren ihm schutzlos ausgeliefert, da niemand eine Waffe besaß. Auch heute besitzt kaum jemand Klingen oder Keulen, da der Phoenix keinerlei Gewalt gutheißt, egal, unter welchen Umständen. Wer Waffen besitzt, ist verleitet, diese auch zu benutzen.
Jener abtrünnige Sprecher kam also aus unserem Dorf und keiner vermochte es, sich ihm zu widersetzen. Doch eines Tages erkannte Borkenhulm den Geist des Phoenix in den Flammen seines heimischen Feuers und ihm wurde klar, dass dieses Übel gestoppt werden musste. Er erkannte zudem die große Gefahr, die von kämpferischen Taten und dem Drang zu jenen ausgehen kann. Darum überredete er den Sprecher, ein großes Leuchtfeuer zu errichten, damit dieser seine neu gewonnene Macht über die gesamte Landschaft strahlen lassen konnte. Doch insgeheim wollte Borkenhulm mehr vom Phoenix wissen. In dem großen Feuer erhoffte er sich Antworten, die er auch bekam.
Was er darin sah, verriet er keinem, doch Fakt ist, dass er in der nächsten Blinzelnacht mit einigen Freunden die Waffen stahl und diese im Meer versenkte. Sie entführten den Sprecher und stellten ihn vor das Gericht des Phoenix. Was an jenem Tag genau passierte, das weiß niemand. Aber der Phoenix hat wohl die Schande aus der Welt genommen, um wieder Frieden einziehen zu lassen. Wer nicht reinen Herzens ist und Böses tut, kann nicht vor der Güte und Weisheit des Phoenix bestehen. Als Borkenhulm wieder in unser Dorf zurückkehrte, wählten wir ihn zu unserem neuen Sprecher. Angru wurde unser neuer Erleuchteter und beide begannen, die Schäden zu beheben, die durch den vorherigen Sprecher entstanden waren.

Wir alle arbeiten immer noch hart, um uns von den Sünden zu befreien, die damals begangen wurden. Wie ihr wisst, geben wir stets noch Korn und Holz an die betroffenen Dörfer und halten jedes Jahr ein Fest zu Ehren des Phoenix ab.

Ja, nun fragt ihr euch, was geschah, dass Borkenhulm so plötzlich in der Blinzelnacht verstarb…keiner weiß, wie sein Tod zustande kam, doch unsere Kräuterkundige konnte zumindest feststellen, dass das Ende seines Lebens nicht natürlichen Ursprungs war. Auch Angru ist seitdem verschwunden.
Seit einiger Zeit passieren komische Dinge in unserer Welt, drum seid auf der Hut. Ganz besonders den Kindern jenes Unfrieden stiftenden Sprechers ist nicht zu trauen. Sie hecken bestimmt etwas aus.
Die Güte, niemandem das Leben zu nehmen, muss Borkenhulm zum Verhängnis geworden sein. Ich habe in all der Zeit, die ich nun schon auf Avis lebe, vieles gesehen, doch das Zeitalter, das uns nun bevorsteht, wird alles verändern. Der Wandel kommt unaufhaltsam und schneller. Was der Phoenix sich dabei denkt? Ich weiß es nicht, aber in seiner unendlichen Güte und Weisheit wird er uns schützen.

Taars ist kürzlich nach Federfall gereist. Er fühlt sich hier nicht sicher und erhofft sich dort Antworten und Beistand von Seiten des Phoenix. Taars Borkenhulmson. Er ist zwar nicht so ein friedlicher Streiter wie sein Vater, doch in seiner Seele brennt trotzdem die Flamme des Phoenix und er ist bereit, alles zu tun, um Gerechtigkeit und Ordnung in diese Welt zu bringen. Ich habe große Hoffnung in ihn, doch er ist nicht hier und wir müssen in unserem Dorf einen neuen Sprecher wählen. Somit müssen wir einen anderen finden oder einen Boten nach Federfall schicken, um Taars als Sprecher wieder zu uns zurückzuholen.

Doch jetzt es ist schon spät, zu spät, um uns mit solchen Belangen zu beschäftigen. Und jetzt Kinder, ab ins Bett und schlaft recht gut. Möge das Licht des Phönix über euch leuchten und der Dunkelheit den Schrecken nehmen.

GROSSMÜTTERCHEN ERILDAS GESCHICHTE